FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2016
258 www.fondsprofessionell.de | 4/2016 Berater den Absprung aus der Bank wagen und eine eigene Vermögensverwaltung auf- bauen oder einen der anderen Wege in die Selbstständigkeit wählen, existieren nicht. Haftungsdach Experten sind sich aber weitgehend einig, dass der typische wechselwillige Kundenbe- treuer aus dem Private Banking kommt und sich einem Haftungsdach anschließt. Dort darf er seine Kunden wie in der Bank zu Aktien, offenen und geschlossenen Fonds, Anleihen und Zertifikaten beraten. Im Haftungsdach benötigt er auch weniger Bestandsvolumen als für die Gründung eines eigenen Instituts: „Unter drei Millionen Euro sollte das betreute Kundenvermögen am Anfang aber nicht liegen“, sagt André Spee, Vorstand von GSAM + Spee Asset Management. „Bei einem Prozent Servicegebühr kann man damit die ersten Jahre überleben und seinen Kun- denstamm ausbauen, wenn man nur sehr geringe Kosten hat“, rechnet der Chef des in Düsseldorf ansässigen Vermögensverwalters und Haftungsdachs vor. Finanzielle Unterstützung beim Start ge- währen die wenigsten Haftungsdächer. „Da- mit lockt man nur diejenigen an, die bloß den Zuschuss wollen. Die schaffen es aber in der Regel nicht, in der Selbstständigkeit zu beste- hen“, sagt Spee. „Die Überzeugungstäter, die wirklich selbstbestimmt und frei arbeiten möchten, benötigen weniger eine finanzielle Unterstützung als Tipps für die Praxis.“ Es schlüpfen aber durchaus auch Ex-Ban- ker unter ein Haftungsdach, die eine KWG- 32-Lizenz stemmen könnten. Ihre Motivation: Das Haftungsdach nimmt ihnen viel Verwal- tungsarbeit – und spart Zeit, die beim Kunden sinnvoller investiert ist. Wer vor allem mit Kunden arbeitet, die ohnehin nur Fonds im Depot haben, kann sich auch den Anschluss an ein Haftungsdach sparen. Ihm reicht eine Erlaubnis als Finanz- anlagenvermittler gemäß Paragraf 34f GewO. Angestellt Eine weitere Möglichkeit ist, bei einem un- abhängigen Vermögensverwalter anzuheuern. „Angestellte bei einem Vermögensverwalter sind aber eher die Ausnahme“, sagt Spee. „In der Regel wollen die Berater nicht mehr fremdgesteuert sein.“ Interessant ist dieser Weg daher vor allem für Ex-Banker, die den Schritt in die Selbstständigkeit nicht wagen oder aus anderen Gründen nicht selbst ein Geschäft führen möchten. „Die Entscheidung für eine Festanstellung im Rahmen einer Vermögensverwaltungs- struktur ist auch eine Typfrage. Nicht jeder möchte sich um alles selbst kümmern müssen, sondern ist froh, auf eine bestehende Infra- struktur zurückgreifen zu können“, sagt Axel Rohr. Der Vorstand des Vermögensverwalters Reuss Private Deutschland sucht gezielt nach solchen Beratern. Dabei genießen sie im Zuge ihrer Tätigkeit unter dem Dach der Reuss Pri- vate große Freiheiten. Sie sind aber selbst für das Erwirtschaften entsprechender Erträge verantwortlich. Schließlich hängt ihr Gehalt trotz eines festen Sockelbetrags letztlich vom Erfolg ihrer Kundenbeziehungen ab. „Insge- samt sollte je Berater mittelfristig mindestens ein Gesamtkundenvolumen von 15 Millionen Euro vorhanden sein“, so Rohr. Zahlreiche ehemalige Banker schließen sich auch einem Finanzvertrieb an. MLP etwa spürt derzeit eine verstärkte Nachfrage von Private-Banking-Beratern. Auch bei der Deutschen Vermögensberatung (DVAG) sind viele Ex-Banker tätig. Swiss Life Select teilt mit, dass jeder dritte Neuzugang einen Bank- hintergrund habe. Branchenkenner berichten aber, dass diese Berater nicht immer die Selbstständigkeit, sondern oft genug schlicht einen neuen Job gesucht haben. „Wir beob- achten seit Jahren den Trend, dass Banken ihre Filialen schließen und Banker in die Finanzberatung wechseln“, sagt Stefan Kuehl, Geschäftsführer von Swiss Life Select Deutschland. Für manchen Banker dürfte interessant sein, dass etwa Swiss Life Select oder die DVAG eine Anschubfinanzierung bieten. NFS-Chef Hammer nennt einen weiteren Grund, wes- halb Finanzvertriebe mitunter recht erfolgreich um Ex-Banker buhlen: „Banker sind keine Verkäufer. In einem Vertrieb finden sie die Führung, die für eine erfolgreiche Neukun- dengewinnung nötig ist.“ Erste Schritte Wie geht es weiter, wenn die Entscheidung für einen der genannten Wege gefallen ist? Wer ein KWG-32-Institut gründen möchte, sollte sich Rat bei Juristen und Steuerberatern holen und einen intensiven Dialog mit der Bafin starten. Wichtig sind auch Informatio- nen und Tipps in Sachen Unternehmensgrün- dung und -führung. Diese benötigen auch Haftungsdach-Berater und unabhängige Finanzanlagenvermittler. Was viele unterschätzen: Der künftige Chef eines Kleinstbetriebs muss eine Vielzahl an Entscheidungen treffen. „Was ist mein Ge- schäftsmodell? Wie viele Kunden werde ich betreuen? Wie hoch wird mein Bestandsvolu- men in zwei bis drei Jahren sein? Wie sieht mein Gebührenmodell aus? Welche Assets möchte ich vermitteln: Aktien, offene und geschlossene Fonds, Anleihen, Immobilien, Zertifikate?“, zählt Spee auf. Auch ganz pro- fane Dinge wie das Anmieten eines Büros, der Aufbau einer Internetseite und der Druck der Visitenkarten müssen geklärt werden. All das ist neu für die Banker, die meist Ende 30 oder Anfang 40 sind, wenn sie sich selbststän- dig machen. Bislang hatte sich schließlich ihr Arbeitgeber um alles gekümmert. bank & fonds I selbstständigkeit Foto: © Oliver Reetz; Alex Gaube Christian Hammer, NFS Netfonds: „Viele möchten wissen, wie sie als freier Berater arbeiten können.“ Axel Rohr, Reuss Private Deutschland: „Kunden haben in aller Regel eine persönliche Bindung zum Berater.“
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