FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2016

244 www.fondsprofessionell.de | 4/2016 vertrieb & praxis I zielgruppenmarketing Foto: © Fotolia | tom A ndreas Weigand, ehemaliger Chief Science Officer bei Amazon, war Red- ner auf dem Fund Forum im Sommer in Berlin, wo sich die internationale Fonds- szene traf. Er erzählte, wie Onlinehändler heutzutage Zielgruppenmarketing betreiben. Die Fondsleute waren angetan, wie gut es Onlinehändler wie Amazon mittlerweile ver- stehen, die Bedürfnisse ihrer Kunden zu erken- nen, noch bevor sich die Kunden selbst über ihre Wünsche im Klaren sind. Die Analyse von großen Datenmengen – Big Data – lässt das Zielgruppenmarketing immer passgenauer werden. Daten sind der neue Rohstoff, jubeln Technologie- und Marketingfans. Kaum Kundendaten Die Fondsbranche kann bei diesem Tech- nologie-Konzert jedoch kaum mitspielen, denn sie verfügt nur eingeschränkt über Kun- dendaten. Anfang der 2000er-Jahre gingen nämlich die meisten Kapitalverwaltungsge- sellschaften dazu über, das Führen von indi- viduellen Investmentkonten auf eine der da- mals zahlreich aufkommenden Plattformen auszulagern. Zu umständlich und zu wenig margenträchtig erschien ihnen das Führen individueller Konten. Außerdem wollten sie sich auf ihr Kerngeschäft, das Asset Manage- ment, konzentrieren. Oft werden nur noch Riester-Verträge selbst verwaltet. Die Kehr- seite der Medaille: Viele Fondsanbieter haben den Kontakt zu ihren Endkunden verloren. Kommt über eine der Sammelstellen eine größere Order herein, kann die Fondsgesell- schaft nur rätseln: Stecken die Aufträge meh- rerer Einzelanleger dahinter? Kommt die Order von einem Vermögensverwalter, der auf einen Schlag zahlreiche Kundendepots um- geschichtet hat? Oder hat ein institutioneller Investor allein alle Anteile erworben? Die „letzte Meile“ kennt im Fondsgeschäft nur der Vertrieb – ganz anders als bei Amazon. Auch wie viel Geschäft einzelne Anlage- berater mit ihnen machen, wissen die Fonds- gesellschaften nicht, denn diese Transaktionen wickeln in aller Regel die Maklerpools ab. Immerhin bemühen sich einige Fondsgesell- schaften redlich und lassen ihre Vertriebsprofis bei großen Vermittlern anrufen. Die Sales- Mitarbeiter fragen dann nach, welches Volu- men der Berater bei seinen Kunden platziert hat. Nachprüfen können die Gesellschaften die Antworten jedoch kaum. Auf Bankpartner angewiesen Die Fondsgesellschaften weisen die Vermu- tung, dass sie über keinerlei Daten ihrer Kun- den verfügen, allerdings weit von sich. Union Investment beispielsweise betont, allein 1,8 Millionen Riester-Kunden zu betreuen. Insge- samt führt der Fondsanbieter der Genossen- schaftsbanken die Depots von 4,2 Millionen Kunden. „Wir kennen unsere Kunden also durchaus“, erklärt ein Sprecher des Unter- nehmens. Der Investmentgesellschaft kommt zugute, dass sie ihre Fonds exklusiv über die Volks- und Raiffeisenbanken vertreibt. Viele Institute liefern Union Investment aggregierte Kundendaten zu und erhalten im Gegenzug Vorschläge, welche Fonds zu welchem Kun- denprofil passen. Das zielgruppenspezifische Marketing übernimmt dann die jeweilige Volks- oder Raiffeisenbank, schließlich ist sie es, die über die personenbezogenen Daten verfügt. „Wir unterstützen deren Marketingarbeit und stellen unter anderem Vorlagen für die regionale Pressearbeit oder Radiobeiträge zur Verfü- gung“, so der Sprecher. Online-Verhalten analysieren Auch Philipp Wagner, Direktor für Big Data & Analytics bei der Deutschen Asset Management, erklärt, sein Haus verfüge über genügend Daten, um Kunden zielgerichtet anzusprechen. „Zum einen haben wir DWS Direkt. Das ist ein etablierter Direktmarketing- kanal mit mehr als 100.000 Kunden. Daneben sehen wir bei unseren diversen digitalen Kon- takten, für welche Produkte sich unsere Kun- den interessieren.“ Er erwähnt die hauseige- nen Internetseiten, E-Mail-Newsletter und das DWS-Beratercenter, aber auch die persönli- chen Beraterkontakte. „Auf unserer DWS- Homepage zählen wir täglich mehr als 8.000 Besucher – auch deren Verhalten analysieren wir“, so der Digital-Experte. „Beispielsweise sehen wir dann, wie lange die Verweildauer auf der Website insgesamt und auf bestimm- ten Seiten ist, ob der Kunde ein Produkt in sein Musterdepot hineinkauft oder wieder ent- Internethändler wie Amazon kennen ihre Kunden genau – und können passgenau werben. Fondsanbietern ist das kaum möglich: Den meisten fehlen die Daten. Kunden gezielt ansprechen Volltreffer: Wer ein Ziel treffen will, muss es erst einmal kennen. Fondsanbietern fällt das mitunter schwer. Wer ihre Produkte kauft, bekommen sie meist gar nicht mit. Das macht es schwierig, Fonds effektiv zu vermarkten.

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