FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2016
216 www.fondsprofessionell.de | 4/2016 mieren und die nötigen Lizenzen bei der Finanzaufsicht zu beantragen. „Einer der ers- ten Mitarbeiter, den wir eingestellt haben, war unser eigener Legal und Compliance Officer“, erinnert sich Podzuweit. Alexis Darányi, der Hausjurist von Scalable, hatte zuvor bei der renommierten Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer gearbeitet. Elf Millionen Euro Eigenkapital Der professionelle Antritt kommt bei Start- up-Investoren an. Stolze elf Millionen Euro Eigenkapital sammelte Scalable bislang bei Venture-Capital-Fonds und anderen Geld- gebern ein, darunter in der Szene bekannte Namen wie Holtzbrinck Ventures, Cortal- Consors-Gründer Rainer Mauch oder der Fonds von Peng T. Ong, dem Macher der Dating-Plattform Match.com. Das große Inter- esse spricht für ein tragfähiges Geschäfts- modell, wirft aber auch eine Frage auf: Was passiert, wenn die Venture-Capital-Geber Kas- se machen wollen? Lautet das Ziel schlicht, Scalable nach einigen Jahre für viel Geld zu verkaufen? „Nein“, sagt Podzuweit, „unseren Investoren ist durchaus bewusst, dass die Ver- mögensverwaltung ein Geschäftsmodell ist, das viel Zeit braucht, um sich zu entwickeln. Es dauert Jahre, bis ein Track Record und eine Kundenbasis aufgebaut wurden, erst dann wird das ein attraktives Geschäft.“ Er verweist auf Investoren wie Tengelmann Ventures, den Fonds von Einzelhandelsmogul Karl-Erivan Haub, der sich an der jüngsten Finanzierungsrunde beteiligt hat. „Tengel- mann hat einen sehr langfristigen Anlage- horizont – das Familienvermögen soll über Generationen hinweg investiert werden“, sagt Podzuweit. „Wir sind angetreten, um unser Unternehmen über viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinweg zu entwickeln“, ergänzt Prucker. Beide Gründer sind erst Mitte 30. Schnelle Expansion Seit Beginn dieses Jahres nimmt Scalable Geld von deutschen Anlegern an, zur Jahres- mitte folgte der Start in Großbritannien und Österreich. Die Expansion in die Schweiz ist in Arbeit, sie soll im kommenden Jahr erfol- gen. Als interessant sieht Scalable auch Märk- te wie Italien und Benelux an – doch das jun- vertrieb & praxis I scalable capital Foto: © Wolf Heider-Sawall Scalable Capital Angebot: Scalable Capital bietet eine onlinebasierte Ver- mögensverwaltung ab 10.000 Euro an. Die Wertpapier- depots und Verrechnungskonten werden von der Baader Bank geführt. Die Anleger werden je nach Risikotrag- fähigkeit einem von 23 gemanagten Portfolios zugeordnet. Über ETFs wird in alle wichtigen Anlageklassen investiert, auch in Rohstoffe. Das Ergebnis ist eine Streuung über bis zu 90 Länder und 7.500 Einzelwerte. Risikokennzahl: Die 23 Portfolios unterscheiden sich mit Blick auf das Verlustrisiko – gemessen am Value at Risk (VaR). Der VaR zeigt an, welcher Verlust mit 95 Pro- zent Wahrscheinlichkeit innerhalb eines Jahres nicht über- schritten wird. Das konservativste Portfolio weist einen VaR von drei Prozent aus, das offensivste einen von 25 Prozent. Ob der VaR für den Einsatz in der Beratung von Privatanlegern taugt, ist umstritten, schließlich handelt es sich um ein recht abstraktes Modell. „Der VaR ist zunächst erklärungsbedürftig, aber wer das Konzept verstanden hat, dem hilft es enorm dabei, das Risiko seiner Geldanlage besser einzuschätzen“, sagt Scalable-Gründer Florian Prucker. „Die Alternative wäre, von einem ‚moderaten‘ oder ‚chancenreichen‘ Profil zu sprechen. Da bleibt völlig im Dunkeln, welches Verlustrisiko dahintersteckt.“ Risikoüberwachung: Scalable überwacht ständig für jedes einzelne Kundendepot, ob die vereinbarte VaR- Schwelle gefährdet ist. Wenn ja, wird das Portfolio ange- passt. Im Schnitt passiert das alle ein bis zwei Wochen – mal nur kosmetisch, mal umfangreicher. Bevor eine Order ausgeführt wird, überprüft ein Mitarbeiter die vom Algorithmus vorgeschlagene Umschichtung. Basis der Risikoüberwachung sind aufwendige Simulationsrechnun- gen mit realen Daten aus der Kapitalmarkthistorie. So wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es in der Realität viel häufiger zu großen Kursverlusten kommt, als das nach den Regeln der Normalverteilung der Fall sein dürfte. Anlagemodell: Grundidee hinter dem Anlagemodell ist die sogenannte „Low Risk“-Prämie: Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass es sich lohnt, in volatilen Marktphasen nicht voll investiert zu sein. Der Algorithmus von Scalable nimmt gewissermaßen den Fuß vom Gas, sobald die Volatilität ansteigt – mit dem Ziel, die risikoadjustierte Rendite zu erhöhen. ETF-Auswahl: Welche In- dexfonds im Portfolio landen, entscheidet Scalable nach einem quantitativen und quali- tativen Auswahlprozess. Eine Rolle spielen nicht nur übliche Kriterien wie die Kosten, die möglichst genaue Abbildung des Index oder die Handelbarkeit eines ETFs, sondern auch die steuerliche Effizienz. Im Zweifel gewinnt beispielsweise der Fonds mit dem besseren Doppelbe- steuerungsabkommen, damit ein höherer Anteil der Dividende beim Anleger ankommt. Das macht im Jahr höchstens wenige Basispunkte aus, sollte sich lang- fristig aber auszahlen. Das ETF- Portfolio wird laufend überwacht. Gibt es einen besseren ETF für eine Anlageklasse, prüft ein Algo- rithmus, ob es sich lohnt, den alten ETF gegen den neuen zu tau- schen – oder ob es sinnvoller ist, nur das Geld neuer Investments in diesen Fonds fließen zu lassen. Kosten: Scalable berechnet eine All-in Fee von 0,75 Prozent des verwalteten Vermögens pro Jahr. Dazu kommen die Kosten der ETFs. Im Vergleich zu anderen Robo-Beratern liegt Scalable damit im Mittelfeld. In jedem Fall ist das Angebot deutlich günstiger als eine traditionelle Ver- mögensverwaltung, für die selten weniger als 1,25 Prozent Gesamtkosten anfallen. Stefan Mittnik, Finanzprofessor an der Ludwig- Maximilians-Uni- versität Mün- chen, ist der Kopf hinter dem Anla- gemodell.
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