FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2015
Gesetz der Geschäftsführung zu berichten hat. Das impliziert, dass es sich beim Com- pliance-Beauftragten um eine von den Ge- schäftsführern beziehungsweise Vorständen verschiedene Person handeln muss. Außer- dem sieht das WAG vor, dass die Ge- schäftsleitung (also die Geschäftsführer beziehungsweise der Vorstand) den Com- pliance Officer ernennen. Bei Unternehmen mit nur wenigen Mitarbeitern kann das aber zum Problem werden, etwa weil unterneh- mensintern niemand zur Verfügung steht, der für die Compliance-Funktion fachlich geeignet und ausreichend erfahren ist und sich darüber hinaus nicht selbst kontrollie- ren würde. Als Faustregel gilt daher, dass bei Kleinstunternehmen mit maximal sechs vollzeitäquivalenten Mitarbeitern das Wahrnehmen der Compliance-Funktion durch einen Geschäftsleiter denkbar ist. Um allfällige Interessenkonflikte zu vermeiden, darf dieser Geschäftsleiter nicht für den Marktbereich (insbesondere für den Ver- trieb) zuständig sein und ist von der Pflicht, Compliance-Berichte für die übrige Ge- schäftsleitung zu verfassen, nicht befreit. In der Praxis ist es klug, die FMA zu kontak- tieren, bevor ein Geschäftsleiter auch die Compliance-Funktion übernimmt. Meistens wird es wohl so sein, dass das Unternehmen die Compliance-Agenden an einen externen Dienstleister wird auslagern müssen und der Geschäftsleiter diese Tätigkeiten nicht wahrnehmen darf. Dabei ist jedenfalls zu bedenken, dass auch der externe Dienstleis- ter der FMA mit dem eingangs erwähnten Formular zu melden ist. Externer Dienstleister Nimmt ein externer Dienstleister die Compliance-Aufgaben wahr, ist im Melde- formular anzugeben, ob diese Tätigkeiten zur Gänze ausgelagert werden und wer im Unternehmen Ansprechpartner für Com- pliance-Themen ist. Es ist also sicherzu- stellen, dass im Unternehmen trotz Aus- lagerung der Compliance-Aufgaben eine fachlich kompetente und erfahrene Person tätig ist, die den Mitarbeitern bei Fragen zu compliancerelevanten Themen Auskunft geben kann. Bevor der Konzessionsträger daher über- legt, die Compliance-Funktion auch mit an- deren Aufgaben zu betrauen, ist folgendes Prozedere einzuhalten: • Analyse des Unternehmens • Weshalb ist das Unternehmen der Auffassung, dass eine Mischverwen- dung zulässig ist? • Besteht das Risiko, dass die Unab- hängigkeit der Compliance-Funktion gefährdet ist? • Besteht das Risiko, dass es durch die Mischverwendung zu Interessenkon- flikten kommt? • Soll die FMA bereits vorab über die künftige Mischverwendung informiert werden? • Erfolgt eine ordnungsgemäße und zeit- gerechte Meldung der Compliance- Funktion an die FMA? Aus dieser kurzen Checkliste ist ersicht- lich, dass eine ausführliche, gut begründete und durchdachte Dokumentation der Grün- de, die für die Inanspruchnahme des Ver- hältnismäßigkeitsgrundsatzes sprechen, das Um und Auf ist. Eine bloß oberflächliche und für Dritte nicht ohne Weiteres nachvoll- ziehbare Begründung reicht nicht aus. In der Praxis taucht immer wieder die Frage auf, ob es nicht ein Widerspruch ist, wenn einerseits das Einrichten einer unab- hängigen Compliance-Funktion im Sinne des WAG nicht unter den Verhältnismäßig- keitsgrundsatz fällt, andererseits aber eine Mischverwendung unter Umständen zuläs- sig ist. Eine allfällige Mischverwendung widerspricht nicht dem in § 18Abs. 3 WAG 2007 normierten Prinzip der Unabhän- gigkeit der Compliance-Funktion: Dieses Prinzip meint insbesondere, dass andere Abteilungen des Unternehmens den Com- pliance-Mitarbeitern keine Weisungen er- teilen dürfen oder nicht anders auf deren Arbeit Einfluss haben dürfen (siehe WAG- Organisationsrundschreiben, Rz 45). Die Compliance-Funktion muss vor allem all- fällige Missstände der Ge- schäftsführung „ungefil- tert“ berichten können. Dazu gehört auch, dass der Compliance-Beauftragte dokumentiert, wenn die Geschäftsleitung wichtigen Empfehlungen nicht folgt, insbesondere wenn die Geschäftsleitung das Bud- get der Compliance-Abtei- lung oder deren Ressourcen kürzt. Nicht nur beim geplanten Kürzen des „Compliance- Budgets“, sondern generell beim Festlegen bezie- hungsweise Ändern der Ressourcen der Compliance-Abteilung, etwa bei der IT oder beim Personal, ist es ratsam, wenn die Geschäftsleitung des Unternehmens den Compliance-Beauftragten vorab dazu hört. Um das nachzuweisen, sollte die Bespre- chung zwischen der Geschäftsleitung und dem Compliance Officer protokolliert werden. Damit der Compliance Officer eine fun- dierte Meinung zur notwendigen Ausstat- tung der Compliance-Funktion abgeben kann, ist es unerlässlich, dass er weiß, was hier für das Unternehmen erforderlich ist. Um das und andere wichtige Vorgänge im Unternehmen beurteilen zu können, muss der Compliance Officer den Konzessions- träger gut kennen und außerdem über die erforderlichen fachlichen Kenntnisse und beruflichen Erfahrungen verfügen. Ein Compliance Officer, der bereits im Unter- nehmen operativ tätig war, verfügt in der Regel über berufliche Erfahrungen und Kenntnisse, die er durch Jobrotation und Schulungen vertiefen sollte. Auch bei je- mandem, der als Compliance-Beauftragter neu ins Unternehmen kommt und diese Position bereits bei einem anderen Konzes- sionsträger ausgeübt hat, ist es wichtig, dass er sich in das Geschäftsmodell seines neuen Arbeitgebers einarbeitet und sich gegebe- nenfalls Spezialwissen aneignet (siehe WAG-Rundschreiben, Rz 41). Bei Kreditinstituten ist es darüber hinaus notwendig, dass der Compliance-Beauf- tragte als sogenannte Schlüsselperson einen grundsätzlich unternehmensinternen Fit-&- Proper-Test absolviert. Das bedeutet ins- besondere, dass der Compliance-Beauf- tragte und die anderen Compliance-Mit- arbeiter regelmäßig Schu- lungen zu den für ihre kon- kreten Aufgaben relevanten Themen – etwa zur aktuellen Judikatur oder zu europarecht- liche Vorgaben – absolvieren. Auch für Compliance-Mit- arbeiter von anderen Unter- nehmen ist es sehr empfeh- lenswert, sich regelmäßig weiterzubilden. Um der FMA bei Bedarf nachweisen zu können, dass beziehungsweise welche Schulungen ein Mit- arbeiter durchlaufen hat, ist es unerlässlich, diese durchge- hend zu dokumentieren. FP 217 www.fondsprofessionell.at | 4/2015 Die Autorin dieses Artikels: Mag. Kerstin Müller ist Rechtsanwältin in der auf Kapitalmarktrecht speziali- sierten Kanzlei Brandl & Talos. Die Kanzlei vertritt ausschließlich die Anbieter von Finanzdienstleistungen.
RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=