FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2015

V on der Wiege bis zur Bahre, Formulare, Formulare.“ Diese Volksweisheit be- wahrheitet sich einmal mehr bei der Finanzmarktaufsicht (FMA). Kürzlich veröf- fentlichte die Behörde das „Rundschreiben der FMA betreffend die organisatorischen An- forderungen des Wertpapieraufsichtsgesetzes 2007 im Hinblick auf Compliance, Risikoma- nagement und interne Revision“ (kurz WAG- Organisationsrundschreiben). Die Behörde verpflichtet darin unter anderem Banken und Wertpapierfirmen, ihr mit einem Formular anzuzeigen, wer Compliance-Beauftragter im Sinn des Wertpapieraufsichtsgesetzes (WAG) ist. Dass beispielsweise der Name und das Bestellungsdatum anzugeben sind, versteht sich von selbst. Angegeben werden muss aber auch, wie viele Wochenstunden der Com- pliance-Beauftragte für diese Tätigkeit auf- wendet, welche sonstigen Aufgaben er im Unternehmen wahrnimmt und ob das Unter- nehmen vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 18 Abs. 4 WAG) Gebrauch macht. Hier lauert schon die erste Falle: Der Ver- hältnismäßigkeitsgrundsatz meint für den Compliance-Bereich nicht, dass das Unter- nehmen nur dann eine unabhängige und weisungsfreie Compliance-Funktion ein- richten muss, sofern das verhältnismäßig ist. Vielmehr darf der Compliance Officer unter bestimmten, imWAG-Organisations- rundschreiben beispielhaft aufgezählten, Voraussetzungen andere Tätigkeiten aus- üben. Dann darf der Compliance-Beauf- tragte unter Umständen auch Mitarbeiter der internen Revision oder Geldwäschebe- auftragter oder Risikomanagement-Beauf- tragter oder Mitarbeiter der Rechtsabteilung oder sogar Geschäftsleiter des Unterneh- mens sein. Damit eine solche Mischver- wendung zulässig ist, muss die jeweilige Bank oder Wertpapierfirma zuerst sich selbst analysieren und sich insbesondere folgende Fragen stellen: Welche Geschäfts- tätigkeiten erbringt das Unternehmen ins- gesamt (etwa Beratung über Wertpapiere, Vermittlung von Versicherungen)? Welche Wertpapierdienstleistungen erbringt das Unternehmen (z. B. auch Portfolioverwal- tung)? Wie hoch ist der Anteil der einzelnen WAG-Geschäfte im Verhältnis zu den übri- gen Aktivitäten des Unternehmens? Wie hoch ist das Provisionsergebnis aus Wert- papiergeschäften? Wer sind die Kunden (z. B. nur Privatkunden)? Welche Finanzin- strumente werden angeboten (werden z. B. auch strukturierte beziehungsweise risiko- reiche Produkte angeboten)? Wie viele an- gestellte und selbstständige Vertriebsmit- arbeiter sind für das Unternehmen tätig? Ist das Unternehmen grenzüberschreitend tätig? Wie viele und welche Tätigkeiten hat das Unternehmen ausgelagert? Unbedingt zu empfehlen ist, dass jedes Unternehmen diese Fragen (und noch mehr) niederschreibt und auch die Antwor- ten darauf ehrlich festhält. Es ist wichtig, dass nachvollziehbar ist, wie die Antworten zustande gekommen sind – nur so kann ein Außenstehender diese nachprüfen. Mischverwendung Ergibt die Analyse der Geschäftstätigkeit, dass die erbrachten Wertpapierdienstleis- tungen und Anlagetätigkeiten nur wenig komplex und umfangreich sind, ist eine Mischverwendung des Compliance-Beauf- tragten denkbar. Soll der Compliance- Beauftragte auch Aufgaben der internen Revision wahrnehmen, ist das freilich nur in sehr eingeschränktem Umfang erlaubt. Entscheidend ist dabei, dass sich keine der Funktionen selbst überprüft. Demgemäß darf der Compliance Officer als Mitarbeiter der internen Revision die Tätigkeit der Compliance-Funktion nicht kontrollieren – diese Aufgabe muss ein anderer Mitarbeiter der internen Revision wahrnehmen. Eine Mischverwendung Compliance und interne Revision sollte ausnahmslos im Vorhinein mit der FMA abgestimmt werden. Weniger kritisch ist die Zusammenlegung der Com- pliance-Funktion mit anderen Kontroll- bereichen, etwa der Risikomanagement- Funktion im Sinn des WAG oder mit der Funktion des Geldwäschebeauftragten. Hier ist jedoch sicherzustellen – und zu do- kumentieren –, dass die jeweiligen Aufga- ben trotz Mischverwendung ordnungs- gemäß erfüllt werden und die Unabhängig- keit des Compliance Officers nicht beein- trächtigt wird. Ähnlich verhält es sich, wenn die Com- pliance-Funktion an die Rechtsabteilung des Unternehmens angebunden ist. Dabei ist freilich darauf zu achten, dass keine In- teressenkonflikte auftreten (z. B. als Mitar- beiter der Rechtsabteilung ist ein Vertrag zu entwerfen, bei dem derselbe Mitarbeiter aus Compliance-Sicht Bedenken hat) und die direkte Berichtslinie an die Geschäftsfüh- rung gewahrt ist. Nur im absoluten Ausnahmefall ist es denkbar, dass ein Mitglied der Geschäfts- leitung die Compliance-Funktion über- nimmt, weil der Compliance Officer laut Was ein Compliance Officer darf und was nicht, regelt das neue WAG-Organisationsrundschreiben der österreichi- schen Finanzmarktaufsicht. 216 www.fondsprofessionell.at | 4/2015 steuer & recht I geldwäsche Foto: © Filmfoto | Dreamstime.com Noch mehr Bürokratie Die vierte Runde im Kampf gegen Geldwäsche ist eröffnet. Der europäische Gesetzgeber prescht vor und erhöht die regulatorischen Anforderungen.

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=