FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2015
214 www.fondsprofessionell.at | 4/2015 reich. Jedoch sind wir mit einigen Geldinstitu- ten im Gespräch“, bestätigt der Finreach Chef. Auch Marina Walser von der Beratungs- firma GFT Technologies rät den etablierten Instituten, mit jungen Ideenschmieden zu kooperieren, die ohne Denkverbote auskom- men. Dies kann in den Banken als Katalysator für weitere Innovationen wirken. „Die Orga- nisationsstrukturen in den Kreditinstituten sind komplex und auf Produktentwicklung ausge- richtet. Ein Umdenken in Richtung Kunden- zentrierung kann sich lohnen“, so Walser. „Gerade junge Leute haben längst einen digi- talen Tagesablauf, aber die meisten Banken denken immer noch analog.“ Wer jedoch nur über die Fintechs klagt und sein Denken nicht ändert, wird die Digital Natives nicht als Kun- den gewinnen und halten können. Walser: „Der Druck im Kessel kommt nicht nur von neuen Playern wie Google oder innovativen Fintechs – auch die Kunden sehen, dass es anders geht, und erwarten eine neue Dienst- leistungsqualität.“ Online-Identifikation Wer bei der ING-Diba eine Anlage tätigen oder bei der DKB ein Konto eröffnen möchte, muss nicht mehr vor die Tür gehen. Neben der bereits seit Langem möglichen Online- Konto-Eröffnung kann man sich seit diesem Jahr auch per Video identifizieren lassen. Da- zu reichen bereits eine stabile Internetverbin- dung und eine Webcam. Die Videolegitima- tion ist eine Alternative zum herkömmlichen Postident-Verfahren, sie wurde von der deut- schen Aufsichtsbehörde Bafin genehmigt. Hierzulande ist man allerdings noch nicht so weit, die Kundenlegitimation per Videochat ist derzeit in Österreich durch die FMA noch nicht freigegeben. Dabei ist die Vorgehens- weise einfach und wirkt auch sicher: Der Neukunde hält einen gültigen Personalausweis oder Reisepass vor die Kamera, damit die Sicherheitsmerkmale und das Hologramm geprüft werden können. Gleichzeitig wird die Ausweisnummer registriert und ein Foto des Kunden gemacht. Bei der ING-Diba kann man sich täglich zwischen sieben und 22 Uhr legitimieren, sogar amWochenende nach dem sonntäglichen „Tatort“. Mittlerweile gibt es fünf Anbieter, die die Legitimierung per Video in Deutschland an- bieten. Die Firmen IDnow und WebID zählen dabei zu den Marktführern. „Wir fungieren als sogenannter ‚zuverlässiger Dritter‘ und neh- men als Dienstleister die gesetzlichen Pflich- ten zur Prüfung der Legitimation nach dem Geldwäschegesetz vor“, so WebID-Chef Frank Jorga. Sein Unternehmen war als Erstes am Markt und arbeitet mit rund 50 Banken zusammen. „WebID hat bereits rund 500.000 Identifikationen durchgeführt. Täglich kom- men bis zu 3.000 neue Online-Identifikationen hinzu“, erklärt Jorga. Und auch für Österreich sieht Jorga durchaus eine Zukunft: „Wir arbeiten bereits mit den zehn größten Finanz- instituten Österreichs zusammen. Die FMA hat sich das WebID-Verfahren mit einem sehr positiven Votum persönlich angeschaut. Der operative Start erfolgt, sobald die FMA die letzten regulatorischen Aspekte verabschiedet hat. Wir stehen dazu mit der FMA im regel- mäßigen Austausch.“ Damit Kriminelle keine Chance haben, schulen die Firmen ihre Mitarbeiter im Erken- nen von Ausweismanipulationen und sonsti- gen Urkundenfälschungen. Auch der Daten- schutz ist ihnen wichtig: „Als verlängerter Arm der Bank erheben und gleichen wir die Daten der Kunden ausschließlich für den Auf- traggeber ab. Danach löschen wir die Daten von unserem Server“, so Michael Sittek vom Anbieter IDnow. Im Gegensatz zum Kon- kurrenten WebID kommuniziert IDnow mit einer eigens entwickelten Software mit dem Kunden und setzt nicht zusätzlich auf fremde Programme wie beispielsweise Skype. Daten- schützern ist Skype seit Langem ein Dorn im Auge, da es als US-Unternehmen berechtigt ist, die Kommunikationsdaten für eigene Zwecke zu nutzen. Damit besteht die Gefahr, dass die persönlichen Daten des Bankkunden im Rahmen der Legitimation an einen privat- wirtschaftlichen Dritten gelangen. Nicht jeder dürfte davon begeistert sein. Die Technik scheint auf Seiten der Anbieter stabil zu sein, gelegentliche Abbrüche sind meistens durch Probleme auf der Kundenseite zu verzeichnen. „Etwa 87 Prozent der Kun- den, die eine Legitimation begonnen haben, führen diese derzeit auch zu Ende“, erklärt Sittek. Da nicht alle Menschen die techni- schen Möglichkeiten nutzen möchten, bleibt das traditionelle Postident-Verfahren trotz der Alternative Videoident weiterhin relevant, ver- liert jedoch stetig an Bedeutung. „Durch die eingeschränkten Öffnungszeiten der Filialen, die Betrugs- und Fehleranfälligkeit innerhalb des Prozesses und die Möglichkeit, dass die Post einen Kunden abwirbt, sehe ich die Exis- tenz des Verfahrens als endlich an“, so Sittek. Kein IBAN und BIC mehr Auch die Münchner Firma Gini will das Banking smarter machen. Mit der Smart- phone-Applikation Ginipay gehört das lang- wierige Ausfüllen von Überweisungen der Vergangenheit an. Der Kunde muss nur mit seinem Handy ein Foto von der Originalrech- nung machen, anschließend filtert die Soft- ware alle relevanten Daten wie Zahlungsemp- fänger, Kontonummer (IBAN) und Verwen- dungszweck heraus und übernimmt diese automatisch in die Felder des Überweisungs- formulars im Onlinebanking. Rechnungen, die im PDF-Format vorliegen, erkennt und ver- arbeitet die Software direkt – ohne den Um- weg über das Foto. „Je Feld erreichen wir Erkennungsraten von 95 Prozent und mehr“, so Gini-Gründer Steffen Reitz. Für den jungen Manager bietet die Digita- lisierung von Unterlagen und Dokumenten zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten, die Überweisungssoftware macht da erst den Anfang. So können Rechnungen, Briefe oder Zahlungsbelege digital gebündelt und dann weiterverarbeitet werden. „Zukünftig kann man Buchungen auf Kontoauszügen mit den dazugehörigen Dokumenten direkt verknüp- fen“, so Reitz, der vom papierlosen Büro träumt. Ginipay kommt bei den deutschen Banken gut an: „Wir möchten unseren Kun- den Lösungen anbieten, die das Leben leichter machen. Die App macht Spaß, und die lästige Eingabe der Daten in einen digitalen Über- weisungsträger ist nun nicht mehr nötig“, sagt Comdirect-Vorstand Sven Deglow. Wenn die österreichischen Kreditinstitute eine technikaffine Klientel nicht verlieren oder besser noch gewinnen möchten, kommen sie an den „jungen Wilden“ nicht vorbei. Die neuen Anwendungen erleichtern den Kunden die Bankgeschäfte. Wer nicht online ist oder nicht sein möchte, hat das Nachsehen. Für ihn bleiben die Wege lang – und der Aufwand hoch. MARCUS HIPPLER | FP Foto: © Comdirect, GFT Technologies Marina Walser, GFT Technologies: „Gerade junge Leute haben längst einen digitalen Tagesablauf.“ bank & fonds I banking-tools
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