FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2015
ren stehen wir erst amAnfang. Drittens stehen wir auch im Verhältnis zu dem, was einige Fintechs können, noch ziemlich amAnfang. Können Sie hier vielleicht ein paar Bei- spiele nennen? Etwa in der Art und Weise, wie Number26 mit seinen Kunden kommuniziert. Oder wie das US-Fintech Robin Hood für deren Kun- den Investmentpläne erstellt, oder wie Better- ment im Asset Management arbeitet, da sind wir noch ganz weit davon entfernt. Ich bin et- wa auch begeistert von Klarna, einem schwe- dischen Payment-Service-Provider, der Zah- lungslösungen im Bereich E-Commerce anbietet. Die Kernleistung besteht darin, die Zahlungsansprüche der Händler zu überneh- men und deren Kundenzahlungen abzu- wickeln und somit Risiken für Käufer und Verkäufer auszuschließen. Etwa 20 Prozent aller Onlineeinkäufe in Schweden werden über Klarna abgeschlossen. Es gibt da draußen also ganz tolle Angebote. Der Vorteil dieser Firmen ist, dass sie ihr gesamtes kreatives Potenzial in dieses eine Projekt stecken und losmarschie- ren können. Wir müssen hingegen ei- ne gesamte Retailbank mit all ihren Produkten in einen digitalen Kontext setzen. Sie haben Firmen wie Robin Hood oder Betterment genannt. Wie kann eine klassische Bank da in Zu- kunft noch mithalten? Der Vorteil der klassischen Bank gegenüber den Start-ups ist, dass sie weiterhin gute Beratung anbieten kann und es auch eine Telefonnummer gibt, wo der Kunde jemanden erreichen kann. Wenn Sie ein Produkt bei uns kaufen, können Sie sicher sein, dass es auch immer jemanden gibt, mit dem man darüber sprechen kann – und zwar nicht nur mit jemanden in einem Callcenter in Indien. Das klingt zwar banal, ist aber aus meiner Sicht wesentlich, da die Bank auch in Zukunft ei- nen gesamten Service anbieten wird und nicht nur einen Teilbereich abdeckt. Auf der ande- ren Seite können in Zukunft jene Kunden, die sich selbst orientieren, auch selbst die Pro- duktabschlüsse über George machen. Wie wird das Vermögensmanagement über George in Zukunft aussehen? Wir sind gerade dabei, für 2016 ein neues Wertpapier-Plug-in zu entwickeln. Unser Ziel ist klar: Die Oberfläche von George wird in Zukunft im Retailgeschäft auch gute Invest- mentmöglichkeiten anbieten. Natürlich wer- den wir dabei im Hinblick auf Mifid I und II vollkommen richtlinien- und gesetzeskonform arbeiten. In Kombination mit den bereits vor- handenen Apps – etwa das Budget-Tool oder der Finanz Manager – wollen wir im kom- menden Jahr die Vision einer individuellen Vermögens- planung unter Zuhilfenahme aller Liquiditäts- daten integriert auf einer Oberfläche umset- zen. Welche Auswirkungen wird dies auf die Berater im Veranlagungsbereich haben? Der Berater hat dann eine wunderbare Mög- lichkeit, mit dem Kunden zu interagieren. Langfristig wird die George-Oberfläche auch die Oberfläche für den Berater sein. Der Kunde kann dann zum Beispiel zu Hause sein Portfolio konfigurie- ren und danach in der Filiale mit dem Berater darüber sprechen. Ähn- lich wie beimAutokauf: Es wird zu Hause konfiguriert, aber nicht im In- ternet gekauft. Vollautomatisierte Veranlagungs- vorschläge wird es also nicht ge- ben, oder? Wir wissen, dass es in diese Richtung gehen wird. Der erste Schritt ist allerdings zuerst einmal, die gesamte Architektur einer Ver- mögensverwaltung in George zu inte- grieren. Was das Thema der vollauto- matisierten Veranlagung betrifft, da sind wir innerhalb der Bank vom Denken her noch nicht so weit. Warum ist man hier noch nicht so weit? Es würde doch die Art und Weise, wie wir es heute machen, dramatisch verändern. Wir haben uns gerade erst von einem Bürokratie- zu einem Servicebetrieb entwickelt, wir ge- hen also Schritt für Schritt vor. Wird es nicht eher eine Frage der Wirt- schaftlichkeit sein? Im Retailgeschäft ist es für eine Bank ja bereits jetzt sehr schwer, profitabel zu arbeiten. Kunden mit wenig Vermögen können ja kaum kostendeckend beraten werden, oder? Die Beratung ist bei uns immer inklusive, es geht ja nicht nur um Private-Banking-Kunden, für die wir übrigens gerade ein eigenes Tool entwickeln. Private-Banking-Kunden haben ganz spezifische Bedürfnisse, die es abzu- decken gilt. Für die Retailkunden geht es hin- gegen um eine langfristige Vorsorgeplanung, und daher hat hier die persönliche Beratung sehr wohl einen Platz, gerade angesichts des aktuellen Zinsniveaus. Wichtig ist dabei aller- dings, dass wir dem Kunden auch eine um- fassende Liquiditätsplanung anbieten und ihm cover I boris mar te | erste group 210 www.fondsprofessionell.at | 4/2015 Foto: © Günter Menzl Boris Marte, Erste Hub: „Der Vorteil der klassi- schen Bank gegenüber den Start-ups ist, dass sie weiterhin gute Bera- tung anbieten kann und dass es auch eine Tele- fonnummer gibt, wo der Kunde jemanden erreichen kann.“ Zur Person: Boris Marte Boris Marte (Jahrgang 1964) studiert Rechtswissenschaf- ten in Wien, bevor er 1991 zum persönlichen Mitarbeiter des österreichischen Bundesministers für Wissenschaft und Forschung wird. Von 1995 bis 1997 ist er Mitarbeiter im Bundesministerin für Unterricht und Kulturelle Ange- legenheiten. Im Anschluss ist Marte bis 2001 Kabinett- chef des Kulturstadtrates im Kulturamt der Stadt Wien. Von 2001 bis 2005 leitet Boris Marte das Konzernspon- soring der Erste Bank Gruppe in Österreich und hat im Anschluss bis 2008 den Posten des Managing Directors von „Die Erste Sparkasse Privatstiftung“ inne. Von 2008 bis 2012 ist er Vorstandsmitglied der Stiftung, bevor er zum Leiter des „Hub“ der Erste Group bestellt wird.
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