FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2015

198 www.fondsprofessionell.at | 4/2015 Jones muss jeden Morgen überlegen, wie er die Umsätze aufrechterhalten kann, die der S&P 500 einbringt“, erläutert der Solactive- Gründer. Und das Spielfeld für die kleinen Angreifer dürfte weiter wachsen. „Indizes sind ur- sprünglich dafür konstruiert worden, einen schnellen und repräsentativen Marktüberblick zu erhalten – aber deswegen sind sie aus unserer Sicht noch nicht zwangsläufig ein per- fektes Investment“, erläutert Rebekka Haller, Anlagestrategin bei M.M. Warburg. Zuneh- mend offenbaren sich den Anlegern die Nach- teile, die herkömmliche Indizes als Anlage- objekt mit sich bringen. So sind die meisten Barometer nach der Marktkapitalisierung gewichtet. Damit werden große, aber teure Unternehmen übergewichtet. Im Falle von Bondbarometern führt dies sogar dazu, dass ausgerechnet die Emittenten mit dem höchs- ten Schuldenstand das größte Gewicht in der Auswahl einnehmen. Daher tüfteln immer mehr Indexentwickler an Alternativen. Diese sollen nicht mehr als Messlatte, sondern als Investment taugen und Anlegern höhere Renditen, geringere Risiken oder gar beides zusammen ermöglichen. „Ei- nerseits fragen die Abnehmer gezielt nach neuen Indizes, zum Teil auch nach individuell zugeschnittenen. Andersherum entwickelt die Industrie eigenständig neue Barometer und versucht, diese am Markt zu platzieren“, sagt Geiger. Ein einseitiges Wachstum, von dem die Indexindustrie auf Kosten der Produkt- anbieter und Anleger profitiert, mag der De- rivate-Experte nicht erkennen. „Die Indexin- dustrie und die Produktanbieter befruchten sich vielmehr gegenseitig“, meint Geiger. In der Branche stehen die Zeichen dennoch auf Preiskampf. „Früher galt eine Art ,Gentle- man’s Agreement‘, dass Indexanbieter sich nicht gegenseitig die Kunden abspenstig machen“, berichtet Hector McNeill, Co-Chef des ETF-Anbieters Wisdomtree Europe. „Doch Vanguard und FTSE haben mit dieser Spielregel gebrochen.“ Die große US-Fonds- gesellschaft hatte ab Ende 2012 schrittweise bei einigen ETFs den zugrundeliegenden In- dex von MSCI auf FTSE umgestellt. Betrof- fen war auch der rund 70 Milliarden Dollar schwere Emerging-Markets-ETF von Vangu- ard. Der Anbieter gilt unter Beobachtern als das Pendant der Investmentbranche zum Bil- ligflieger Ryanair. So hatte sich die Gesell- schaft einen Preiskampf mit dem ETF-Anbie- ter Charles Schwab geliefert. Darüber hinaus hatte Vanguard angekün- digt, weitere US-Aktienfonds auf Barometer umzustellen, die das Center for Research in Security Prices (CRSP) der Universität von Chicago entwickelt hat. Das katapultierte das außerhalb der akademischen Welt kaum be- kannte Institut sowohl in den USA als auch weltweit auf Platz fünf der größten ETF- Indexanbieter, gemessen am verwalteten Ver- mögen. Dies zeigen Daten des Analysehauses ETFGI. Auch in Europa kooperieren Anbieter zunehmend mit finanzwissenschaftlichen Instituten oder bringen Produkte mit akade- mischemAnstrich auf den Markt. So berech- net etwa das Edhec Risk Institute in Nizza fast 3.000 Marktbarometer. Zusammen mit Amun- di wurde auch ein ETF am Markt platziert. „Die großen Marken werden auch weiterhin Geschäft mit den etablierten Indizes machen“, meint McNeill. „Größere Mittelzuflüsse wer- den aber eher die neuen Barometer verzeich- nen, die als Investment und nicht nur als Ver- gleichsmaßstab entwickelt wurden.“ Anbieter halten die Treue Dennoch wechseln bislang nur wenige Pro- duktanbieter ihren Indexdienstleister. Der Umzug ist mit erheblichemAufwand verbun- den. „Die Prozesse sind eingespielt und auf- einander abgestimmt. Die Daten von neuen Anbietern in das bestehende System einzu- pflegen kann viel Zeit und Arbeitsaufwand kosten“, meint Vontobel-Manager Geiger. Dass ein Index und ein Produkt aus einem Hause stammen, ist bislang eher die Ausnah- me. Eine davon ist McNeills Gesellschaft Wisdomtree. Das Unternehmen entwickelt selbst Indizes und bringt die zugehörigen ETFs auf den Markt. „Wir kennen unsere Barometer genau und wissen, was sie können und was nicht. Bei Fremdentwicklungen lässt sich das nie so detailliert abschätzen“, erläutert McNeill. „Zudem sind die Kosten natürlich etwas geringer, was am Ende auch den Anle- gern zugute kommt.“ In den USA hat auch die Blackrock-Tochter iShares bei den Auf- sichtsbehörden die Lizenz beantragt, selbst Indizes entwickeln zu können. Bisher hat der ETF-Ableger des Fondsriesen aber noch keine Eigenentwicklungen herausgebracht. „Das könnte den Markt kräftig aufmischen“, meint McNeill. Das Verhältnis von Index- und Pro- duktanbietern würde von gegenseitiger Ab- hängigkeit zu Konkurrenz umgekrempelt. SEBASTIAN ERTINGER | FP vertrieb & praxis I geschäft der indexanbieter Foto: © Solactive Steffen Scheuble, Solactive: „Die kleineren Indexanbieter arbeiten deutlich effizienter.“ Russell • Umsatz 2014: 10 Mio. Pfund* • Anzahl Indizes: rund 700.000 Das Traditionsunternehmen hat seit seiner Gründung 1936 den Hauptsitz in Tacoma im US-Bundesstaat Washington. In den 1980er-Jahren entwickelte das In- vestmenthaus die ersten Barometer der Russell-Serie, um die Leistung seiner Portfoliomanager zu messen. *seit Übernahme durch die London Stock Exchange im Dezember 2014 FTSE • Umsatz 2014: 186,8 Mio. Pfund • Anzahl Indizes: mehr als 250.000 Um den 1984 entwickelten britischen Leitindex FTSE 100, umgangssprachlich „Footsie“ genannt, entstand später ein Indexkonzern. Die FTSE Group wurde vom einstigen Mutterverlag der „Financial Times“, Pearson, und der Londoner Börse gegründet. Heute liegen alle Anteile bei der London Stock Exchange Group. Stoxx • Umsatz 2014: 108,3 Mio. Euro • Ergebnis 2014: 34,4 Mio. Euro • Anzahl Indizes: mehr als 7.000 Die Schweizer und die Deutsche Börse gründeten 1998 das Gemeinschaftsunternehmen mit Sitz in Zürich. Die Stoxx-Familie umfasst Barometer wie den Euro- stoxx 50. Im Sommer 2015 gab die Deutsche Börse bekannt, dass sie Stoxx komplett übernehmen will.

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=