FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2015
fonds & versicherung I dr. philip steiner | nürnberger 146 www.fondsprofessionell.at | 4/2015 Foto: © Günter Menzl W er Lebensversicherungen anbietet oder verkauft, hat aktuell keine leichte Zeit. Das Zinstief mit seinen Auswirkungen auf klassische Lebensversiche- rungen und die hartnäckige Zurückhaltung der Anleger beim Thema Fondspolizzen machen der Branche zu schaffen. Hinzu kommt das „Verordnungspaket zur nachhaltigen Absiche- rung der privaten Lebensversicherung“, des- sen neue Informationspflichtenverordnung nun ebenfalls implementiert werden muss, was vor allem einmal Kosten verursacht. Über diese Ausgangssituation und die Frage, wie man damit umgehen kann, sprach FONDS professionell mit Philip Steiner, Ver- triebsvorstand der Nürnberger Versicherung. Der deutsche Versicherer ist seit 1981 in Österreich aktiv und zählt hierzulande zu den Pionieren der fondsgebundenen Lebensversi- cherung, wobei seit jeher ausschließlich mit unabhängigen, selbstständigen Vertriebspart- nern wie Versicherungsmaklern, -agenten und Finanzdienstleistern gearbeitet wird. Herr Dr. Steiner, das Maßnahmenpaket der FMA für die Lebensversicherungen hat die Branche überrascht. Wie ist so etwas möglich, und was halten Sie von dem Paket? Was man davon hält, ist Geschmackssache, allerdings muss man sagen, dass der Zeitplan etwas kurzfristig ist. Die Inhalte des Maßnah- menpakets wurden Anfang Oktober veröffent- licht, und für eine Umsetzung bis zum 1. 1. 2016 bleibt nicht mehr viel Zeit. Wir sind na- türlich darauf vorbereitet, in der Regel braucht man allerdings mehr als zwei Monate, um so etwas technisch umzusetzen. Die Senkung des Garantiezinssatzes auf ein Prozent und die Be- kanntgabe der Gewinnbeteiligungsverordnung waren dabei nicht das Problem. Darauf sind wir vorbereitet. Anders sieht die Sache aller- dings bei der Informationspflichtenverordnung aus, bei der es schon deutliche Unterschiede zur bisherigen Situation gibt. So müssen wir nun die Rückkaufswerte mit einer allfälligen Nachversteuerung angeben. Das muss erst programmiert werden, da wäre ein wenig mehr Vorlaufzeit nicht schlecht gewesen. Zu- dem gibt es durch die Informationspflichten- verordnung einen neuen Korridor für die Musterberechnung bei der fondsgebundenen Lebensversicherung. Heute rechnen wir mit null, drei und sechs Prozent. Die Berechnung mit null wurde ja eingeführt, um die Kosten transparent zu machen. Der neue Korridor ab 1. 1. 2016 wird zwischen minus zwei, null und plus zwei Prozent liegen. Das ist eigen- artig, wenn man bedenkt, dass die klassische Lebensversicherung heute mit über drei Pro- zent rechnet. Es gibt zudem noch einen vier- ten variablen Wert, der einen Realitätsbezug haben muss, der darf nicht höher sein als die Verzinsung des zugrunde liegenden Portfolios. Der Referenzzeitraum liegt dabei bei fünf Jahren, was für meinen Geschmack etwas zu kurz ist. Inwieweit belasten das Maßnahmenpa- ket beziehungsweise die Zinszusatzreser- ve auf der Kostenseite? Die Zinszusatzreserve kostet kein Geld, son- dern bindet Kapital und belastet damit die Ge- winn-und-Verlust-Rechnung. Ob sie langfris- tig Geld kosten wird, muss sich erst zeigen. Wenn wir diese Rückstellung nicht benötigen, fließt das Kapital schließlich wieder zurück. Wird man die Rückstellung benötigen? Ich glaube es – ehrlich gesagt – nicht. Dass die kapitalbildende Lebensversicherung be- reits rosigere Zeiten erlebt hat und nun vor großen Herausforderungen steht, ist klar. Aus heutiger Sicht wird man große Anstren- gungen unternehmen müssen, damit es sich ausgeht. Welche Rolle spielt die klassische Le- bensversicherung in Österreich für Ihr Haus? Rund die Hälfte unserer Deckungsrückstel- lungen kommt aus der klassischen Lebens- versicherung, die andere Hälfte von der Fondsgebundenen. Unser Problem ist also kleiner als bei anderen. Innerhalb der Branche wird das Pro- blem aber gern kleingeredet. Dabei zeigt doch ein Blick über die Grenze nach Deutschland, wohin die Reise geht. Trotzdem hat man das Gefühl. dass die klassische Lebensversicherung von vielen Anbietern sogar noch gepusht wird. Es hat sich auch in Österreich etwas verän- dert. Die Uniqa hat im vergangenen Jahr ein Produkt ohne Garantie auf den Markt gebracht, und die Zürich hat nachgezogen. Ich glaube nicht, dass ein Versicherer das Jahresendgeschäft im Bereich der KLV so richtig pushen wird. Wenn man sich das Regelwerk zur Zinszusatzreserve ansieht, muss man für jeden Vertrag, den man heute in Deckung nimmt, eine Reserve bilden. Wenn ich also heute bei einem höheren Rechnungszins, als ich ihn eigentlich ver- diene, Neugeschäft mache, ist das nicht so attraktiv. Der Vertrieb verkauft trotzdem weiter- hin mit dem Argument drohender wei- terer Garantiezinssenkungen im Bereich Dr. Philip Steiner, Vertriebsvorstand der Nürnberger Versicherungs AG Österreich, im Gespräch über die Zukunft des Lebensversicherungsmarktes in Österreich und die Auswirkungen des aktuellen Maßnahmen- pakets der Finanzmarktaufsicht sowie die darin enthaltene neue Informationspflichtenverordnung. „Zenit der klassischen Lebens » Der neue Korridor ab 1. 1. 2016 wird zwischen minus zwei, null und plus zwei Prozent liegen. Das ist eigenartig, wenn man bedenkt, dass die klassi- sche Lebensversicherung heute mit über drei Pro- zent rechnet. « Dr. Philip Steiner, Nürnberger
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