FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2015

markt & strategie I inflation/deflation Der Fondsinitiator Incrementum vergleicht den Kampf zwischen Deflation und Inflation mit dem Wettkampf zweier Teams: Die Banken mit ihrer restriktiven Kreditvergabe unterstützen die erste Mannschaft, die Notenbanken mit ihrer laxen Geldpolitik das zweite Team. Die Frage „Inflation oder Deflation?“ wird Anleger noch einige Zeit in Atem halten. Ein Fonds versucht, beide Probleme unter Kontrolle zu halten. Zwei Kräfte im Widerstreit D ass die wirtschaftliche Entwicklung und damit auch die der Kapitalmärkte wesentlich von der allgemeinen Preis- entwicklung bestimmt wird, dürfte für die meisten Marktteilnehmer als Binsenweisheit gelten. Nicht umsonst haben sich große Zentralbanken wie die amerikanische Federal Reserve und die Europäische Zentralbank konkrete Inflationsziele gesetzt. Nur der geordnete moderate Anstieg der Preise führt zu dem angestrebten gleichmäßigen Wachsen der Wirtschaft. Schlecht sind hingegen stark bis sehr stark steigende, aber auch fallende Preise – die Phänomene hohe Inflation, Hyperinflation und Deflation sind in der Realwirtschaft gleichermaßen unerwünscht wie an den Kapitalmärkten. Bisher praktisch irrelevant Bis vor wenigen Jahren musste man sich als europäischer Investor mit diesen Themen bei Anlageentscheidungen nicht beschäftigen. Perioden mit hohen Inflationsraten bezie- hungsweise tatsächlich deflationären Ent- wicklung kannten die meisten Marktteilneh- mer lediglich aus Büchern. Selbst die Zeit nach der Dotcom-Blase Anfang dieses Jahr- hunderts war im Nachhinein betrachtet allen- falls eine Zeit der Disinflation. Damit war die Entscheidungsmatrix eigent- lich klar, denn man musste im Prinzip nur auf null (Disinflation) oder eins (Inflation) setzen, um die Preisentwicklung in seine Anlage- entscheidungen miteinzubeziehen. Für die meisten Fondsmanager war der ganzen Themenkomplex aber während der letzten 30 Jahre vermutlich gar nicht von entschei- dender Bedeutung. Deflation wird zum Dauerthema Wenn es nach Ronald Stöferle geht, dann wird das künftig nicht mehr ausreichen. Er ist einer von zwei Vorständen der 2013 im liech- tensteinischen Vaduz gegründeten Fondsge- sellschaft Incrementum, und er glaubt, dass Anleger in die oben beschriebene simple Ent- scheidungsmatrix künftig eine dritte Kompo- nente, die Deflation, sehr viel stärker einbe- ziehen müssen als bisher. Eine von Deflation bestimmte Phase war im Nachgang zur Finanzkrise von 2008 und anschließendem Absturz der Wirtschaft erst- mals nach langer Zeit wieder so richtig sicht- bar geworden. Stöferle geht aber davon aus, dass die nächste Zukunft an den Finanzmärk- ten von einer Phase schneller und ausgepräg- ter Wechsel zwischen stark deflationären und inflationären Tendenzen bestimmt sein wird. „Das vergangene Jahr hat uns davon schon ei- nen Vorgeschmack geliefert, als sich solche Wechsel gleich drei Mal im Jahresverlauf ge- zeigt haben“, so Stöferle. Kräftemessen Der gebürtige Österreicher, international be- kannt durch seine jährlich erscheinende Stu- dienserie zur Edelmetall- und Rohstoffanalyse namens „In Gold we trust“, die er schon wäh- rend seiner Zeit im Researchteam der Wiener Erste Group begonnen hatte, ist davon über- zeugt, dass uns solche abrupten Wechsel auch in den kommenden Jahren weiter begleiten werden. „Dafür spricht allein schon die Tat- sache, dass wir uns in einer Phase des regel- rechten Kräftemessens zwischen auf der einen Seite stark deflationären und auf der anderen Seite extrem inflationären Tendenzen befin- den“, so Stöferle, „die auf längere Sicht erheb- liche Auswirkungen auf die Entwicklung der Kapitalmärkte haben werden.“ Stöferle beschreibt dieses Kräftemessen als den Kampf zwischen zwei widerstreitenden Teams. Auf der einen Seite kämpft sozusagen das Team der deflationären Kräfte, angeheizt nicht nur durch eine immer noch starke Zu- rückhaltung der Banken, sondern auch durch die weiter ihre hohe Verschuldung abbauen- den Privathaushalte. Unterstützung erhält die- ses Team auch durch eine stärkere Bankenre- gulierung aufgrund der Basel-III-Vorschriften und eine weiterhin notwendige Restrukturie- rung von Staatsschulden in einigen Ländern. Doping durch Zinspolitik Auf der anderen Seite steht ein ebenso star- kes Team für inflationäre Kräfte, auf dessen Seite man eher schon vom Doping durch Nullzinspolitik und Quantitative Easing sei- tens der Zentralbanken sprechen muss. Zu- dem spielt der fortwährende Versuch einzelner Länder oder Regionen, sich Vorteile über eine Abwertung der eigenen Währung und den Import von Inflation zu verschaffen, dem Team Inflation ebenfalls in die Hände. „Bei diesem Wettstreit wird mal das eine, mal das andere Team die Nase vorn haben in diesem Spiel der Kräfte“, so Stöferle. Das werde zeitweise auf eine Art Balanceakt auf Messers Schneide hinauslaufen, der sich für Anleger als besondere Herausforderung er- weisen werde, weil diese bei der Portfolio- optimierung am Ende immer wieder vor der gleichen Frage stehen werden: Inflation oder Deflation? Die Wechselwirkung zwischen Notenbankinflationierung einerseits und der Foto: © Yong hian Lim | Dreamstime.com, Incrementum 88 www.fondsprofessionell.at | 1/2015

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