FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2015
86 www.fondsprofessionell.at | 1/2015 erreicht: Das Wirtschaftswachstum in Europa bleibt schwach. Zum Teil ist das auf die anderen Maßnahmen zurückzuführen, denn staat- liche Sparpakete sorgen, kombiniert mit einer konsolidierten Bankenlandschaft, zwangsweise für ein Schrumpfen der Wirtschaft. Der EZB war dabei klar, dass die Restabilisierung auch zu einer Kon- solidierung des Bankensystems mit ent- sprechenden Folgen führen würde. Draghi erklärte dazu in einer Rede am 9. Oktober 2014: „Solange kein einheitlicher Kapi- talmarkt in Europa existiert, müssen wir mit einem Finanzsystem arbeiten, in dem Banken dominieren – ob uns das gefällt oder nicht. Daher hat das Deleveraging des Bankenbereichs unsere Politik beein- flusst. In einigen Ländern, in denen Ban- ken ihre Loan to Deposit Ratios verrin- gert und ihr Eigenkapital erhöht haben, waren sie nicht in der Lage, unsere tiefen Zinssätze an ihre Kunden weiterzugeben. ... Wir beobachten zwar eine deutliche Zu- nahme bei der Emission von Unterneh- mensanleihen, dabei handelt es sich aber mehrheitlich um große Firmen. Kleine und mittlere Unternehmen, die für zwei Drittel der Arbeitsplätze im privaten Sek- tor stehen, haben hier keinen Zugang. Um auch für sie bessere Finanzierungsmög- lichkeiten zu schaffen, müssen unsere Anstrengungen bei der Reparatur des Bankensektors von Maßnahmen zur Schaffung eines Kapitalmarktes begleitet werden.“ Draghi sieht hier vor allem in einem funktionierenden Markt für Asset Based Securities (ABS) eine Möglichkeit, Haushalten und KMU den Zugang zu Kredit zu ermöglichen. Die EZB begrüße daher auch die Pläne der EU-Kommis- sion, einen einheitlichen Kapitalmarkt zu errichten. Reformbedarf bleibt hoch Der EZB-Chef betonte aber wiederholt, dass sich ein langfristiger konjunktureller Erfolg nur mithilfe von Reformen erzielen lasse, die sich wiederum ausschließlich von den Regierungen der Eurostaaten ini- tiieren lassen. Draghi in Boston: „Ich habe wiederholt darauf hingewiesen, dass wir die günstigsten Kreditbedingungen schaffen können, wenn aber ein Jungun- ternehmer zwischen neun Monaten oder einem Jahr warten muss, bevor er die Erlaubnis zur Eröffnung eines neuen Geschäfts bekommt, wird er sich nicht um einen Kredit bemühen. Und falls er es doch schafft, ein Geschäft zu starten, wird er mit so hohen Steuern belastet, dass er ebenfalls demotiviert wird. Kurz gesagt: All unsere Anstrengungen, die Nachfrage zu stimulieren, wären viel effizienter, wenn sie von einer Politik zur Steigerung des Angebots begleitet wären. Ich sehe keinen Weg aus der Krise heraus, wenn es uns nicht gelingt, das Ver- trauen in das Potenzial unserer Wirtschaft zu stärken.“ Die Kombination der notwendigen Maßnahmen, so Draghi, sei zwar komplex, aber nicht kompliziert. Jeder der notwendigen Schritte liege klar auf der Hand, daher gehe es heute nicht mehr darum, die Lage zu dia- gnostizieren, sondern Maßnahmen zu setzen. Langjähriger Prozess Die wichtigste Frage lautet nun: Kann es wirklich funktionieren, das Wachstum anzu- kurbelt und gleichzeitig den Schuldenberg un- ter Kontrolle zu bringen? Nun, ob es diesmal in Europa funktioniert, werden wir erst in etlichen Jahren wissen, historisch hat es aber schon geklappt. So ist es in den USA zwi- schen 1933 und 1937, in Großbritannien nach dem Krieg von 1947 bis 1969 und in den USA neuerlich zwischen März 2009 und heute gelungen, den Schuldenberg zu ver- kleinern und dabei trotzdem nominell positi- ve Wachstumszahlen zu produzieren (siehe Kasten Seite 87). Was passiert aber, wenn es nicht gelingt, wie sieht ein Scheitern aus? Das unglücklichs- te Szenario ist eine Wiederholung der japani- schen Geschichte. Das hieße: Die Zinsen blei- ben bei null oder darunter, die EZB kauft bis auf Weiteres Staats- und sonstige Anleihen und das angestrebte Wirtschaftswachstum fin- det trotzdem nicht statt, weil die dafür not- wendigen Reformen nicht umgesetzt werden. Seit 1990 hat sich das Gesamtschuldenniveau Japans, gemessen am Inlandsprodukt, von 400 auf 500 Prozent vergrößert. Über den ganzen Zeitraum hinweg waren die Renditen von Staatsanleihen im Durchschnitt höher als das reale Wirtschaftswachstum, was einen Schul- denabbau natürlich unmöglich macht. Wie eine solche Entwicklung langfristig enden könnte, steht in den Sternen, nach menschlichem Ermessen würde sie aber letzt- lich doch zum Zerfall der Eurozone und massiven Schuldenschnitten führen. Und das wäre fatal, denn in zehn Jahren geht die Babyboomergeneration in Rente beziehungs- weise sollte in den Ruhestand treten, und ein cover I ezb-politik Gesamtschulden EU-Länder (in % BIP) 2012 2013 2014* 2015* 2016* Griechenland 156,9 174,9 176,3 170,2 159,2 Italien 122,2 127,9 131,9 133,0 131,9 Portugal 124,8 128,0 128,9 124,5 123,5 Zypern 79,5 102,2 107,5 115,2 111,6 Irland 121,7 123,3 110,8 110,3 107,9 Belgien 104 104,5 106,4 106,8 106,6 Spanien 84,4 92,1 98,3 101,5 102,5 Frankreich 89,2 92,2 95,3 97,1 98,2 Großbritannien 85,8 87,2 88,7 90,1 91,0 Kroatien 64,4 75,7 81,4 84,9 88,7 Österreich 81,7 81,2 86,8 86,4 84,5 Slowenien 53,4 70,4 82,2 83,0 81,8 Ungarn 78,5 77,3 77,7 77,2 76,1 Niederlande 66,5 68,6 69,5 70,5 70,5 Deutschland 79,0 76,9 74,2 71,9 68,9 Malta 67,5 69,5 68,6 68,0 66,8 Finnland 53,0 56,0 58,9 61,2 62,6 Slowakei 52,1 54,6 53,6 54,9 55,2 Polen 54,4 55,7 48,6 49,9 49,8 Tschechien 45,5 45,7 44,1 44,4 45,0 Dänemark 45,6 45,1 45,0 42,7 43,6 Schweden 36,4 38,6 41,4 41,3 40,6 Rumänien 37,3 38,0 38,7 39,1 39,3 Litauen 39,9 39,0 41,1 41,8 37,3 Lettland 40,9 38,2 40,4 36,5 35,5 Bulgarien 18,0 18,3 27 27,8 30,3 Luxemburg 21,4 23,6 22,7 24,4 25,1 Estland 9,70 10,1 9,80 9,60 9,50 Mittelwert 68,35 71,96 73,42 73,72 72,98 Wirtschaftswachstum EU-Länder (in % im Vorjahresvergleich) 2012 2013 2014* 2015* 2016* Irland -0,30 0,20 4,80 3,50 3,60 Malta 2,50 2,50 3,30 3,30 2,90 Polen 1,80 1,70 3,30 3,20 3,40 Ungarn -1,50 1,50 3,30 2,40 1,90 Litauen 3,80 3,30 3,00 3,00 3,40 Luxemburg -0,20 2,00 3,00 2,60 2,90 Rumänien 0,60 3,40 3,00 2,70 2,90 Großbritannien 0,70 1,70 2,60 2,60 2,40 Lettland 4,80 4,20 2,60 2,90 3,60 Slowenien -2,60 -1,00 2,60 1,80 2,30 Slowakei 1,60 1,40 2,40 2,50 3,20 Tschechien -0,80 -0,70 2,30 2,50 2,60 Estland 4,70 1,60 1,90 2,30 2,90 Schweden -0,30 1,30 1,80 2,30 2,60 Deutschland 0,40 0,10 1,50 1,50 2,00 Bulgarien 0,50 1,10 1,40 0,80 1,00 Spanien -2,10 -1,20 1,40 2,30 2,50 Belgien 0,10 0,30 1,00 1,10 1,40 Griechenland -6,60 -3,90 1,00 2,50 3,60 Portugal -3,30 -1,40 1,00 1,60 1,70 Dänemark -0,70 -0,50 0,80 1,70 2,10 Niederlande -1,60 -0,70 0,70 1,40 1,70 Frankreich 0,30 0,30 0,40 1,00 1,80 Österreich 0,90 0,20 0,20 0,80 1,50 Finnland -1,50 -1,20 0,00 0,80 1,40 Italien -2,30 -1,90 -0,50 0,60 1,30 Kroatien -2,20 -0,90 -0,50 0,20 1,00 Zypern -2,40 -5,40 -2,80 0,40 1,60 Mittelwert -0,20 0,29 1,63 1,94 2,33 Quelle: EU-Kommission, *Schätzung
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