FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2015

lohnkonkurrenz, die durch den Fall des Eisernen Vorhangs entstanden ist, zurückgeführt, aber auch auf die Globalisierung und auf die Ame- rikaner, die getürkte Wertpapiere in die Welt gesetzt und dadurch ihr Leistungsbilanzdefizit finanziert haben. Der Euro war also nicht die alleinige Ursache. Die Agenda 2010 der Regierung Schröder war die richtige Antwort? Ja, das waren die notwendigen Maßnahmen zur realen Abwertung Deutschlands. Wir hatten die höchsten Löhne im verarbeitenden Gewerbe auf der ganzen Welt, inzwischen haben wir das nicht mehr. Was sagen Sie je- nen Kritikern, die meinen, Deutsch- land sei schuld an der Eurokrise, weil man die Lohnstück- kosten so lange stabil gehalten hat? Es steht fest, dass Deutsch- land unter zwei Prozent Inflation hatte und insofern dem Ziel der Preisstabilität näher kam als andere, die deutlich über zwei Prozent la- gen. Und diese über zwei Pro- zent liegende Inflation war nun wirklich nicht mehr kompatibel mit dem Maastrichter Vertrag. Sie hat die Länder ihrer Wett- bewerbsfähigkeit beraubt. Das war solange plausibel, wie die entstehenden Leistungsbi- lanzdefizite von den Ka- pitalmärkten finanziert wurden. Ab 2008 war das nach der Lehman- Pleite allerdings nicht mehr der Fall. Ab da war die Not so groß, dass man sich das Geld drucken musste, um die Leistungsbi- lanzdefizite weiter zu finanzieren. Ab 2010 kamen dann schließlich die fiskalischen Rettungsschirme hinterher, die die EZB-Rettungsaktivitäten ablösten. Dadurch ist auch die EZB erst in diese Machtposition geraten – als technokratisches Gremium mit fiskalischen Maßnahmen –, die weit über ihre eigentliche Kom- petenz hinausgeht. Das war als Notstandsmaßnahme notwendig, ist aber zugleich auch ein Stück weit ein Demokratieverlust in Europa. Der Verfassungsrichter Udo di Fabio sagte dazu, dass Ermächtigungsklauseln auch für eine Europäische Zentralbank nicht ange- messen sind. Wir müssen mit der aktuellen Situation trotzdem leben. Dabei stellt sich die Frage, welche langfristigen Anschlussprobleme sich da- raus ergeben. Anschlussprobleme sehe ich etwa in den Fehlentwick- lungen, die sich an den Kapitalmärkten fort- setzen werden. Bis zum Jahr 2008 ist durch Re- gulierungs- fehler zu viel Geld nach Süd- europa ge- flossen und dort verbrannt worden. Dann haben die Kapitalmärkte ihren Fehler erkannt und wollten diesen korrigieren, doch die EZB ließ das nicht zu. Die EZB-Politik führt dazu, dass die Kapital- vernichtung, die wir schon vor der Krise gesehen haben, auch noch zehn Jahre oder mehr nach der Krise verlän- gert wird. Das ist das Haupt- problem. Die Realität wird eines Tages aber schlagend werden. Ja, die fehlende Wettbewerbs- fähigkeit kann auf diese Weise nicht verbessert werden. Hier helfen nur Reformen am Ar- beitsmarkt, die Lohn- und Preis- senkungen relativ zu den ande- 81 www.fondsprofessionell.at | 1/2015 » Diese Wachstums- diskussion ist eine versteckte Verschul- dungsdiskussion. Wenn die Politiker von Wachstum sprechen, meinen sie eigentlich Verschuldung. « Prof. Dr. Hans-Werner Sinn, Präsident ifo-Institut verkleinern “

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