FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2015

durch, in riskantere und damit produktivere Kapitalarten zu gehen – ob es nun Aktien, Unternehmensanleihen oder Infrastrukturprojekte sind. Wie wird es Ihrer Meinung nach weitergehen, wenn das OMT-Programm nicht den gewünschten Effekt liefert? Wenn die Wirtschaft trotz OMT-Programm nicht anspringt, wird die EZB die Zinsen noch weiter senken. Dann wären wir bei -0,25 Prozent, die Dänen und die Schweizer sind ja jetzt schon bei -0,75 Prozent. Wenn es da einen Wettlauf gibt, sind wir ganz schnell bei -3 Prozent oder sogar -4 Prozent bei den Leitzinsen. Wenn die Banken dann Kapital haben, das sie nicht verleihen, da die Leute die Kredite nicht nachfragen, werden sie dafür bestraft. Dann wird es vielleicht gang und gäbe werden, dass wir negative Hypo- theken- und Darlehenszin- sen haben. Das könnte überspitzt so weit gehen, dass Sie von der Lea- singgesellschaft sogar noch Geld bekom- men, wenn Sie einAu- to leasen. Wir leben aktuell in einer sehr bizarren Welt. Was würden diese Entwicklungen für die Aktien- märkte bedeu- ten? Wir haben für den Dax berechnet, wo das Potenzial aktuell liegt, da kommt man angesichts des Niedrig- zinsumfeldes schnell auf 17.000 Punkte, und auch Werte von über 20.000 Punkten sind nicht unrea- listisch. Man bekommt ja immer eine Aktienprämie, die über dem risikofreien Zinssatz liegt. Wenn dieser immer weiter runter rutscht und man die Kurs-Ge- winn-Verhältnisse oder Preis-Buch-Werte ein- rechnet und Zukunftsszenarien entwickelt, kommt man auf ganz abstruse Zahlen. Ich habe das kürz- lich einmal mit meinem Team durchgerechnet. Wenn wir dieselben Bewertungen hätten wie da- mals kurz vor dem Kollaps des Neuen Marktes und dieselben Marktwertbewertungsmethoden heranziehen und wenn sich die Zinssätze in die- sem Rahmen bewegen, wie wir das gerade se- hen, dann könnte der Dax theoretisch bis auf 175.000 Punkte steigen. Ich glaube zwar nicht daran, allerdings zeigt es, dass nach oben noch Platz ist. Es wird für viele Investoren schwierig wer- den, im großen Stil negativ verzinste Anleihen zu kaufen. Banken und Versicherun- gen werden das etwa als sehr schwierig empfinden. Wenn diese Investoren verstärkt Ak- tien kaufen, und das werden sie müssen, dann werden sehr viele Mittel in die Märkte fließen. Dazu kommt, dass im privaten Bereich ja auch nur sehr wenige Leute Ak- tien besitzen, das wird sich dann ebenfalls ändern. Das klingt danach, als ob man aktuell auf jeden Fall Aktien kau- fen sollte. Viele Markt- beobachter warnen allerdings schon vor Kurskorrekturen. Natürlich werden wir auch weiterhin volatile Phasen erleben, auf dem Aktien- wie auch auf dem Anlei- henmarkt. Trotzdem sind unsere Aktien- quoten aktuell sehr hoch. Selbst der Ethna-Defensiv, für den ich und mein Kollege Daniel Stefanetti in unse- rem Team zustän- dig sind und der maximal zehn Prozent in Aktien halten darf, ist aktu- ell zu neun Prozent 43 www.fondsprofessionell.at | 1/2015 » Wenn es da einen Wettlauf gibt, sind wir ganz schnell bei minus drei oder sogar minus vier Prozent bei den Leitzinsen. « Guido Barthels, Ethenea Independent Investors hr bizarren Welt“

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