FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2015
206 www.fondsprofessionell.at | 1/2015 steuer & recht I geschlossene fonds Foto: © Desertcid | Dreamstime.com Ö sterreichs Richter beschäftigen sich nun schon einige Jahre lang mit ge- schlossenen Fonds. Die Mehrzahl der Fälle sieht so aus, dass Verbraucherschützer und Anlegeranwälte versuchen, von den Ver- mittlern der vielen in Schieflage geratenen Fonds Schadenersatz für die Käufer zu erhal- ten. Beliebteste Opfer sind dabei naturgemäß solvente Banken, denen reihenweise Fehlbe- ratung vorgeworfen wurde. In der ersten Zeit entschieden die Gerichte tendenziell anleger- freundlich, wobei den Verkäufern häufig das Ausmaß der bei der Vermittlung geflossenen Provisionen zum Verhängnis wurde. Langsam zeichnet sich hier allerdings eine Trendwende ab. Im Herbst 2014 sahen drei Landesgerichte in konkreten Urteilen keine Beratungsfehler der Banken. „Das Handelsgericht Wien be- stätigte etwa unsere Ansicht, dass von einer Bank nicht verlangt werden kann, einen bereits zum Kauf entschlossenen und auf- geklärten Kunden durch übermäßige und vom Kunden nicht gewollte Aufklärung zu be- vormunden“, berichtet Rechtsanwalt Ernst Brandl von der auf Kapitalmarktrecht spe- zialisierten Wiener Kanzlei Brandl & Talos. Die Wiener Juristen erstritten in Wien, Klagenfurt und Graz Urteile zugunsten der von ihnen vertretenen Banken. Aus Vertriebs- sicht erfreulich ist die Tendenz, dass die Rich- ter die einzelnen Fälle – ähnlich wie auch in Deutschland – differenzierter beurteilen als noch vor einigen Jahren. Investoren, die aus eigenemAntrieb Kaufentscheidungen getrof- fen haben, können sich nicht mehr so einfach auf das Argument der Fehlberatung berufen. Etwa wie im Beispiel eines Wiener Privatkun- den, der in den Kühlschiff-Fonds „Reefer 2“ des Initiators MPC Capital investierte, ohne sich von einem Berater der Bank umfassend beraten zu lassen. Der Kunde hatte sich selbst- ständig informiert und dann einen konkreten Kaufauftrag erteilt. Damit war die Bank aber nur mehr in beschränktem Umfang zur Auf- klärung verpflichtet, fasst die Kanzlei Brandl & Talos das Urteil zusammen. Im Übrigen sei die Frage der Beraterhaftung verjährt gewe- sen, da der Kunde über die Probleme des Fonds seit 2008 informiert war. Der Anleger hat gegen das Urteil berufen, der Fall lag bei Redaktionsschluss noch beim Oberlandes- gericht Wien. Rechtskräftig sind hingegen zwei Entschei- dungen der Landesgerichte Graz und Klagen- furt. Anleger, die Anteile an Holland-Immo- bilienfonds von MPC erworben hatten, gingen gegen die Banken vor. Das Gericht in Klagen- furt wies die Klage jedoch ab, weil der mög- liche Anspruch des Klägers verjährt war. In Graz entschied das Gericht, dass die fehlende Aufklärung über das Risiko, dass Anleger erhaltene Ausschüttungen unter Umständen zurückzahlen müssen, kein Beratungsfehler ist. Denn diese unterlassene Information sei „unerheblich“, weshalb kein Anspruch auf Schadenersatz bestehe. Christian Lenz, Rechtsanwalt in der Kanz- lei Brandl & Talos, berichtet von weiteren Urteilen der Landesgerichte Eisenstadt und St. Pölten sowie des Bezirksgerichts Graz-Ost, die Klagen der Anleger abgewiesen haben. „Allerdings hat es zuletzt auch zahlreiche Ent- scheidungen zugunsten der Anleger gegeben. Insbesondere das Handelsgericht Wien hat (erneut) eine sehr anlegerfreundliche Position eingenommen“, sagte Lenz. Erfahrung ist relativ Das Handelsgericht Wien entschied mit Urteil vom 14. Jänner 2015 zugunsten eines Anlegers gegen die Raiffeisenlandesbank NÖ- Wien. Der Investor hatte Schiffsfonds von MPC Capital und Lloyd Fonds gezeichnet; MPC trat in diesem Verfahren als Streithelfer auf Seiten der Bank auf. Das Gericht verur- teilte die Bank, Schadenersatz zu leisten, die Fondsanteile zu übernehmen und den Anleger von jedem weiteren Schaden „aus der feh- lerhaften Beratung im Zusammenhang mit der Vermittlung der Beteiligungen“ freizuhalten (Az. 51Cg 47/13p). Der Hintergrund: Der Investor hatte 2007 „als Pensionsvorsorge“ für jeweils 20.000 Euro Anteile am MPC-Schiffs- fonds „Santa Lorena/Santa Luciana“ und am „Schiffsportfolio III“ von Lloyd Fonds er- worben. Er wirft der Bank vor, nicht über die Unterschiede zu Veranlagungen in Aktien und Anleihen und nicht über die Vertriebsspesen von 25 Prozent und die Provision für die Bank aufgeklärt worden zu sein. Außerdem habe er den Emissionsprospekt nicht erhalten und nicht gewusst, dass die prognostizierten Auszahlungen der Fonds keine Gewinne, sondern Rückzahlungen des eingesetzten Eigenkapitals seien. Kurioserweise handelt es sich in diesem Enttäuschte Anleger geschlossener Fonds klagen reihenweise die Verkäufer. Anfangs fielen die Urteile im Sinne der Kläger aus, das hat sich nun geändert. Urteile in beide Richtungen Auch Beteiligungen an Containerschiffen wie MS Santa Lorena und Luciana vom Emissionshaus MPC Capital beschäftigen derzeit immer wieder die heimischen Gerichte.
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