FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2015
vertrieb & praxis I jordan belfor t 176 www.fondsprofessionell.at | 1/2015 Fotos: © Christoph Hemmerich D er Mann ist kein Sympathieträger, al- lein die Tatsache, dass er Tausenden Anlegern hochriskante bis wertlose Aktien von Unternehmen aufgeschwatzt hat, die sich nicht für eine Notiz an einer regle- mentierten Börse qualifizieren konnten, macht ihn in den Augen seriöser Marktteilnehmer zur Unperson. Sieht man (im Film), wofür er die dabei erzielten Gewinne verwendete, wird es nicht eben leichter, ihn wohlwollend zu be- urteilen – trotz seiner Beteuerungen, dass er diese Phase seines Lebens hinter sich gelassen habe und heute bereue. Jordan Belfort ist aber nicht nur ein ehemaliger Finanzhai, er verfügt auch über ein einzigartiges Verkaufstalent, ohne das er seine zweifelhafte Karriere gar nicht hätte starten können. Heute verdient er seinen Lebensunterhalt damit, diese Fähigkeit an andere weiterzugeben. Weltweit schult er Verkäufer und Manager und betont, dass man seine Methode nur für seriöse Zwecke einset- zen dürfe. Demnächst erscheint sein „Straight Line Persuasion“-System in Buchform. Herr Belfort, wenn man den Film über Sie sieht, stellt man sich unwillkürlich die Frage, wie Sie es geschafft haben, vermögenden Kunden Penny Stocks zu verkaufen, und wie es Ihnen gelungen ist, diese Fähigkeit auch Ihren Mitarbei- tern zu vermitteln? Als ich jung war, habe ich irgendwann einmal verstanden, dass drei Dinge im Kopf des Ge- sprächspartners passieren müssen. Ich habe damals intuitiv auf diese drei Punkte reagiert und so Verkaufserfolge erzielt. Später musste ich einen Weg finden, auch meine Mitarbeiter mit dieser Fähigkeit auszustatten. Und dazu musste ich ein System entwickeln. Mein Straight-Line-Konzept systematisiert diesen Prozess. Theoretisch folgt ein Verkaufsge- spräch ja einer Linie, es gibt eine Eröffnung und einen Abschluss, und die kürzeste Verbin- dung zwischen zwei Punkten ist die gerade Linie. In der Realität läuft das aber nicht so ab. Das Gespräch findet sozusagen in einer Bandbreite statt. Leute stellen Zwischenfra- gen, sie erzählen spontan Dinge, die eigentlich nichts mit der Sache zu tun haben. Hält man sich an den Straight-Line-Ansatz, bleibt man in einem Korridor, der immer wieder zum Thema zurückführt. Das heißt, man hält den Gesprächspart- ner davon ab, abzuschweifen? Nein, im Gegenteil, es geht nicht darum, selbst sehr viel zu reden. Man kontrolliert eine Konversation nicht, indem man ständig selbst spricht. Man kontrolliert sie, in dem man es schafft, als Experte wahrgenommen zu wer- den. Wenn das der Fall ist, überlassen Ge- sprächspartner einem automatisch die Kon- trolle über das Gespräch. Diese Chance kann man nutzen, um Fragen zu stellen. Indem man die richtigen Fragen in der richtigen Rei- henfolge stellt, findet man heraus, was die Gesprächspartner tatsächlich wollen, was sie glauben, was für sie wichtig ist und wie ihre Werte aussehen. Und das funktioniert immer? Nein, entscheidend ist dabei, dass das Gegen- über nicht von Anfang an Nein sagt, denn Nein heißt Nein. Das Straight-Line-System versucht nicht, ein Nein in ein Ja umzukehren. Ein striktes Nein bekommt man aber selten, in der Regel kommt man zu dem Punkt, dass sich jemand eine Sache noch einmal über- legen möchte. Kommen wir zurück zu den erwähnten drei Punkten – worin besteht Ihre Me- thode im Kern? Es genügt nicht, dass sich jemand für ein Pro- dukt, das Sie anbieten, interessiert. Die Person muss Ihnen vertrauen, und sie muss auch dem Unternehmen, für das Sie arbeiten, vertrauen. Diese drei Dinge muss man erreichen. Ver- käufer konzentrieren sich in ihrer Über- zeugungsarbeit aber sehr häufig nur auf das Produkt und verkaufen sich selbst und auch ihr Unternehmen zu wenig oder gar nicht. Das Straight-Line-Modell liefert einen diszi- plinierende Anleitung dafür, all diese Punkte systematisch und in der richtigen Reihenfolge abzuarbeiten. Und das funktioniert unglaub- lich zuverlässig, es ist ein wirklich mächtiges Werkzeug, das das Leben von Menschen, denen man es beibringt, auf positive Weise verändert. Sie betonen stets, dass Ihr System nicht nur im Verkauf nützlich ist. Es geht dabei längst nicht nur um Verkauf, sondern um jede Form der Kommunikation. Das beginnt bei der Fähigkeit zu verhandeln und geht bis zur Mitarbeiterführung und -motivation. Es wird häufig unterschätzt, wie wichtig die Fähigkeit ist, andere zu beeinflus- sen und zu überzeugen. Und es geht hier kei- Jordan Belfort wurde aufgrund der Verfilmung seiner Geschichte im Streifen „The Wolf of Wall Street“ weltweit bekannt. Der New Yorker war in den 90er-Jahren einer der erfolgreichsten Aktienbroker der USA und landete dann aufgrund zahlreicher Delikte im Gefängnis. Heute vermarktet er sein bemerkenswertes Verkaufstalent weltweit. » Es genügt nicht, dass sich jemand für ein Produkt, das Sie anbieten, interessiert. Die Person muss Ihnen vertrauen, und sie muss auch dem Unternehmen, für das Sie arbeiten, vertrauen. « Jordan Belfort Jordan Belfort sorgte in den 90er-Jahren in den USA mit einem Anlageskandal für Schlagzeilen. Sein Broker- haus Stratton Oakmont wur- de 1997 aus der National Association of Securities Dealers wegen Betrugs der Kunden ausgeschlossen und 1998 von der SEC geschlos- sen. Der Schaden für die Anleger wurde mit mehr als 200 Millionen US-Dollar beziffert. Belfort wurde wegen Wertpapierbetrugs und Geldwäsche zu vier Jahren Haft verurteilt, wovon er 22 Monate absitzen musste. Heute vermarktet Belfort sein Verkaufstalent in Vorträ- gen, Workshops, mit DVDs und demnächst auch in Buchform. Auf seiner Internetseite bietet er Kurse um rund 2.000 US-Dollar an. Wer sich dafür interessiert, kann sich vor einem Kauf auf der Videoplattform You- Tube eine Reihe von Belforts Vorträgen und Ausschnit- ten aus seinen Workshops ansehen. „Es geht darum, als Experte
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