FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2015
138 www.fondsprofessionell.at | 1/2015 fonds & versicherung I lebensversicherung Foto: © Christoph Hemmerich E s ist nicht die aktuelle Situation, die den Verantwortlichen in den Vorstandseta- gen der Versicherungsgesellschaften Sorgen bereitet, sondern die Tatsache, dass keine Besserung in Sicht ist. Im Durchschnitt erwirtschaften die Lebensversicherer derzeit immer noch eine Rendite von etwa 3,25 Pro- zent auf das eingesetzte Kapital ihrer De- ckungsstöcke, und dem stehen Verpflichtun- gen aus sieben Millionen Lebensversiche- rungsverträgen gegenüber, die mit Garantie- zinsen von durchschnittlich 2,8 Prozent ver- kauft wurden. Es wird zwar langsam eng, aber Grund zur Panik besteht nicht. Noch nicht. Wirklich schwierig würde es dann, wenn wir in Europa tatsächlich „japanische Verhältnisse“ bekommen sollten, das heißt, wenn das generelle Zinsniveau jahrelang um die Nulllinie oszilliert. Leider stehen die Chancen dafür auch aus Expertensicht kei- neswegs schlecht. Und dann stünde auch das Hauptargument der Versicherungen – eine langfristig positive Prognose für den Lebens- versicherungsbereich – auf wackligen Beinen. Die Aussage, dass Lebensversicherungen nicht kurzfristig, sondern auf lange Sicht ab- geschlossen werden, bleibt dann zwar richtig, aber eine zinslose Dekade lässt sich auch langfristig nicht ausgleichen. Zur Erinnerung: In Japan liegt der Leitzins seit dem Jahr 1995 konstant unter der Einprozentmarke, und seit damals sind in Japan neun private Lebens- versicherungsgesellschaften in die Insolvenz geschlittert. Stresstest Mit dem Szenario einer lange andauernden Niedrigzinsphase hat sich im Übrigen auch die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA in ihrem letzten Versicherungsstresstest be- schäftigt. Die Ergebnisse wurden Ende des vergangenen Jahres veröffentlicht und fielen nicht eben positiv aus: Jede fünfte Versiche- rung in Europa käme in einem solchen Sze- nario in Schwierigkeiten – auch einige öster- reichische Institute seien besonders anfällig, so der Tenor der Aufseher. Konkret würden 24 Prozent der geprüften Versicherer die EU- Kapitalvorschriften (Solvency II) unter dem Japan-Szenario anhaltender Niedrigzinsen nicht einhalten können. Die Folge: „Einige Versicherer könnten Probleme haben, ihre Zu- sagen an die Versicherungsnehmer in acht bis elf Jahren noch zu erfüllen“, warnte EIOPA- Chef Gabriel Bernadino bei der Präsentation der Ergebnisse. In Österreich, den Niederlan- den, Deutschland und Schweden blühten Ver- sicherern demnach mittelfristig negative Cash- flows, weil sie langfristige Zinsgarantien ab- geben haben, die dann nicht mehr erwirtschaf- tet werden könnten. Noch schlimmer stellt sich die Situation bei der Simulierung eines Doppelschlag-Szena- rios dar. Fast die Hälfte der europäischen Ver- sicherungsunternehmen käme in Bedrängnis, wenn sich zu den Niedrigzinsen noch eine Abwertung der Vermögenswerte gesellte, et- wa durch einen Börsencrash, massive Scha- densfälle durch Naturkatastrophen und Kün- digungswellen bei Lebensversicherungskun- den. Nur 56 Prozent der geprüften Unterneh- men hätten auch dann noch genug Kapital. Die EIOPA hält die nationalen Aufsichtsbe- hörden daher an, für ausreichende Kapital- ausstattung und Risikomanagement bei den Lebensversicherungen zu sorgen. Und dies bringt den Unternehmen zusätzliche Belastun- gen. Denn die von der FMA verlangte Zins- zusatzreserve geht im Gegensatz zu Deutsch- land nicht zulasten der Versicherten im Rah- men ihrer Gewinnbeteiligung, sondern zur Gänze zulasten der Versicherungsunterneh- men. Diese Zinszusatzrückstellung hat die ausgewiesenen Gewinne der Lebensversiche- rungen in den Bilanzen 2013 um etwa 80 Millionen Euro geschmälert. Für 2014 geht man gar von 200 Millionen Euro aus. Die europäische Versicherungsaufsicht empfiehlt den Unternehmen zudem, Anlage- ziele wie Infrastrukturprojekte zu finden, mit denen sich die notwendigen Renditen langfris- tig erzielen ließen, oder den Geschäftsmix zu verändern und etwa von Zinsgarantien abzu- gehen. Diesen Weg hat nun erstmals auch eine österreichische Versicherung beschritten. Nachdem in Deutschland bereits Produkte von der Allianz und der Ergo Versicherung präsentiert worden waren, ging hierzulande Ende des vergangenen Jahres die Uniqa Ver- sicherung gemeinsam mit der Raiffeisen Ver- sicherung in die Offensive. Als erster Anbieter stellte man eine klassische Lebensversiche- Bleiben die Zinsen länger so niedrig, müssen Lebensversicherer ihr Geschäfts- modell überdenken. Die Uniqa hat als erste Gesellschaft auf Produktebene reagiert. Neuerfindung der Klassischen EIOPA-Chef Gabriel Bernardino warnte anlässlich der Präsentation entsprechender Stresstests, dass etliche europäische Versicherer in einem langjährigen Niedrigzinsumfeld früher oder später in Schwierigkeiten geraten könnten.
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