FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2021

W issen Sie, warum Sie in Flugzeugen aus runden Fenstern blicken? Weil in der ers- ten Düsenverkehrsmaschine in den 1950er-Jahren eckige Fenster drei Abstürze innerhalb eines Jah- res verursachten. Die in größeren Flughöhen auf- tretenden Druckunterschiede zwischen Kabine und Atmosphäre führten in der De Havilland Comet zu von den Fensterecken ausgehenden Rissen, die den Rumpf zerstörten. Bis zur Er- kenntnis, dass Flugzeuge keine eckigen Fenster haben dürfen, verloren aber etwa 100 Menschen ihr Leben. Wohl deshalb gibt es keine zweite Branche, die Fehler so konsequent sucht, analysiert und beseitigt wie die zivile Luftfahrt – nach jedem Zwischenfall wird Fliegen sicherer. Ein Wirtschaftszweig, in dem dies auch heute noch nicht der Fall ist, ist das Finanzwesen. Seit Jahrzehnten kommt es mit unschöner Regelmäßigkeit zu Anlage- betrugsfällen, Bankenpleiten und Bilanzskandalen. Trotzdem hat man nicht den Eindruck, dass die zuständigen Aufsichten ähnliche Lernkurven aufweisen wie die Luftfahrtbehörden. Man fragt sich, wie es sein kann, dass diese Organisationen zwar laufend wachsen und ihre Kontrolltätigkeiten ausweiten, früher oder später aber doch wieder Störfälle nach alten Mustern auftreten. Die Behörden sind dazu da, große Probleme zu vermeiden. Als Beobachter hat man jedoch den Eindruck, dass sie lieber Jagd auf Problemchen machen – so als kontrolliere man bei einem Flugzeug nicht die Zuverlässigkeit der Triebwerke, sondern jene der Kühlschränke in der Bordküche. Wirklich wundern muss man sich über Skandale, bei denen sich herausstellt, dass es konkrete Hinweise und Warnun- gen gab. Hier kommt regelmäßig zutage, dass es keine Untersu- chung gab oder diese ergebnislos verlief. Dies war bei Wirecard ebenso der Fall wie bei der Commerzialbank. Eine britische Hedgefondsmanagerin wies etwa die Bafin schriftlich auf Rechercheergebnisse hin, die auf Malversationen bei Wirecard hindeuteten. Sie bot auch ein Treffen an. Die Bafin verzichtete darauf, prüfte selbst, entdeckte aber nichts. Im Fall Com- merzialbank war der Bericht eines Informanten schon 2015 sehr konkret, die Nationalbankprüfer, die damals vor Ort waren, fanden dennoch nichts. Unsere Behörden befinden sich mit sol- chem Versagen in guter Gesellschaft. Auch die US-Börsenaufsicht war vom Finanzexperten Harry Markopolos Jah- re vor dem Kollaps des Madoff-Systems darauf hingewiesen wor- den, dass es dabei nicht mit rechten Dingen zugehen könne; ohne Konsequenzen. Um solche Fälle früher zu entdecken, müsste man übrigens nur so vorgehen wie die ignorierten Informanten: Wenn Fonds Traumrenditen mit geringer Volatilität erwirtschaften oder wenn kleine Banken auffällig hohe Sparzinsen offerieren – mit an- deren Worten: wenn wichtige Eckdaten gegenüber dem Markt- durchschnitt deutlich abweichen –, muss kontrolliert werden, wie es sein kann, dass ein Flugzeug trotz eckiger Fenster am Himmel bleibt. In der Bafin wurden aus dem Fall Wirecard personelle Kon- sequenzen gezogen, in Österreich wehrt sich die Republik noch da- gegen, für die Fehler ihrer Organe einzustehen, und verweist Sparer, die ihr Geld im Vertrauen auf die Aufsicht einer von dieser über- wachten Bank anvertraut haben, an den Verfassungsgerichtshof. Gerhard Führing Mamdouh El-Morsi Gerhard Führing, Mamdouh El-Morsi Flache Lernkurve Seit Jahrzehnten kommt es mit unschö- ner Regelmäßigkeit zu Anlagebetrugsfällen, Bankenpleiten und Bilanzskandalen. MEINUNG Brief der Herausgeber 4 fondsprofessionell.at 2/2021 FOTO: © MARLENE FRÖHLICH | LUXUNDLUMEN

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